- 37 - stand hätten leisten können, wenn sie sich ihrer Klassenla.ge und der auftauchenden Gefahr voll bewußt gewesen wären. Statt dessen wurden sie nur allzuhäufig Opfer der fascistischen Dema:- gogie, die skrupellos die Landbevölkerung gegen die Städter aufhetzte. Erst jetzt kam das Moment Land gegen Stadt in das politische Leben, das in der revolutionären Bewegung s,o gut wie gar nicht hervorgetreten war. ' Wie in diesem Augenblick das Verhältnis des Fascismus zur Regierung Giolitti war, ob er nur geduldet wurde oder ob, wie die d' Annunzianer behaupteten, ein direkter Vertrag vorlag, ist authentisch nie bekannt geworden. In j,edem Fall konnte er aus der Wahlparole Giolittis, die sich in erster Liuie geg,en den Sozialismus richtete, Nutzen ziehen und nach dem 16. Mai 1921 mit zwei„ unddreißig Abgeordneten in die Kammer einziehen, während andrerseits die Sozialisten mit 122, die Kommunisten mit 14 Sitzen ihren Besitzstand noch ziemlich behaupteten. Man darf überhaupt nicht glauben, daß, um diese Zeit der Sozialismus schon gänzlich i:interlegen war. Keineswegs! Die fasci stießen noch recht häufig auf dien Widerstand der Arbeiter, besonders der anliti del popolo, wenngleich ihnen diese an Bewaffnung und militärischer Disziplin. fast immer• nachstanden. Aber wie auch immer diese Kämpfe ausgingen, ,es waren nur noch taktische Gefechte, deren Ausgang an der strategischen Niederlage der revolutionären Bewegung nichts mehr ändern konnte. Lediglich der Chronik halber verdient der Waff.enstillstandsvertrag Erwähnung, der unter dem Einfluß des Parlaments um diese Zeit zwischen Fascisten und Sozialisten geschlossen wurde. Eine wirkliche Bedeutung hat der Pakt von Rom nicht erlangt. Beide Kontrahenten gingen ihn mit einer reservatio mentalis ein, und da der Fascismus sich darüber zu spalten drohte,, wurde er keine acht Tage eingehalten. Immerhin beweist er, daß die Führer des Fascismus der eigenen Kraft damals doch noch nicht recht trauten und daß ihnen ein Aufschub zur inneren Be-· festigung nicht unwillkommen war. Im November 1921 konstituierten sich endlich die Fasci ·als Partei. Sie wußten zwar immer nur erst, was sie beseitigen und nicht, was sie erreichen wollten, aber sie waren nun immerhin eine Macht g•eworden, und ihre Führer wünschten natürlich, sie durch eine Politisierung zukunftsreicher zu gestalten. Daß sie allerdings nicht daran dachten, die „bewährten" Methoden aufzugeben, bewies die Tagung in Rom sehr eindringlich. Als während der Er..: öffnungssitzung das Gerücht umlief, daß ein kommunistischer Abgeordneter einem Bombenattentat zum Opfer gefallen sei, erh-ab sich die Versammlung begeistert von den Plätzen und sang unter stürmischem Beifall Kriegslieder. Die· Straßen Roms hallten in · diesen Tagen von den Ausschreitungen der Fasci wieder, gegne-· rische Politiker werden überfallen und miß·handelt, und an verschie-
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