Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

-19schüttern. Nun kam- noch die Handelskrise dazu. Ihre Ursachen und Folgen kann ma9 als eine Zwischenstufe der Erscheinungen bezeichnen, die sich einerseits in den reichen Siegerstaaten, anderer- . seits in den Ländern der Besiegten zeigten. Wie in England und Amerika machte sich die Zerstörung des mittel- .und osteuropäischen Absatzgebietes bemerkbar, nach dem Italien in der Hauptsache seine Südfrüchte und Seiden geliefert hatte, während der Tiefstand der Lire die Rohstoffe ebenso schwer erschwinglich machte wie in Deutschland, Oesterreich, Polen und Rußland. Mit andern Worten: Während das ganze Geschäftsleben stockte, stiegen die Preise aller Waren einschließlich des Brotgetreides, das in beträchtlichen Mengen eing,eführt werden mußte. An Hand der Statistik kann man den Höhepunkt der Krise ganz genau auf den ersten Teil des Jahres 1922 datieren, also auf den Zeitpunkt, in dem der fascistische Vormarsch die letzte Spr,osse seiner Erfolge erreichte. Drei Tatsachen kennzeichnen diesen Augenblick. · 1. Die Entwicklung der Preise, die beinahe auf das Fünffache des Friedenswertes stiegen. Der Index für Turin, der die Kosten der Lebenshaltung mit 100 für 1913 annimmt, berechnete s•ie für April 1922 mit 470, für Januar 1924 mit 466; 2. die Arbeitslos1igkeit, die ihren Höchststand am 1. FebrLiar 1922 mit 606 800 Beschäftigungslosen erre-i.chte(davon allein 148 600 · in der Emilia, dem Zentrum des Fasdsmus); 3. der Zusammenbruch der Banca /to,liana di Sconto, die am Jahresschluß 1921 ihren Bankrott erklärte .. Dieser Zusammenbruch einer der bedeutendsten Banken des Landes wurde zum Teil gewiß durch eine allzu leichtfertige Geschäftsgebarung herbeigeführt, aber im wesentlichen war er doch das Resultat der industriellen Krise. Die Banca di Sconto beschäftigte sich nämlich nach deutschem Muster im großen Maßstabe mit der Finanzierung von Industrieunternehm,en, und bes,onders mit der llva war sie durch pers•önliche und materielle Bande eng verknüpft. /lva und Ansaldo s,ind die beiden größten Gesellschaften der Schwerindustrie, die vor 1915 keine besondere Bedeutung hatten, aber durch den Krieg zu einicr künstlich~n, nkht auf natürlichem Absatz beruhenden Blüte gelangten, die ihnen gestatteteiJ ihren Wirkungskreis immer weiter auszudehnen und sich in die verschiedensten Glieder des Produktionsprozesses einzuschalten. Das Aufhören der Kriegslieferungen, die Schwierigkeiten der Umstellung, die Verteuerung der Rohstoffe und der Mangel an ;Märkten machten jedoch diesem Aufschwung ein rasches Ende. Die /lva fallierte völlig, und die Ansaldo war tatsächlich in derselben Lage, obgleich sie den formellen Bankrott vermeiden Ivonnte. Die Banca di Sconto war das wichtigste Opfer, das diese Krachs nach sich zogen, und sie riß wiederum eine Anzahl anderer Institute nach 2*

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