Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

-14übrig,en Parteien waren stets nur Gruppen, die sich um einen Führer scharten, und deren Pofitik im wesentlichen durch einen praktischen Opportunismus und durch den Drang zur Krippe bestimmt wurde. Die ausgesprochene Rechte war niemals sehr stark. Der breite Sumpf der Kammer wurde und wird vielmehr von einem Dutzend liberaler und demokratischer Parteien gebildet, die in ihren Tendenzen noch alle die Strömungen widerspiegeln, die vor fünfzi'g Jahren herrschten. Der kapitalistisch-liberale Charakter des Staates blieb in den ,entscheidenden Punkten immer unangetastet, und die Parteien begnügten sich damit, die verschiedenen von ihnen vertretenen Interessen: schwerindustrielle und leichtindustrielle, ka:ifmännis.che und agrarische, kirchliche und soziale so friedlich auszukämpfen, wie es das lateinische Temperament gestattet, was um so leichter möglich war, als sie ein gewisses Gleichgewicht be-. wahrten. Der große 'Mann dieser Parlamente war Giovanni Giolitti, der typische Vertreter des kapitalistisch - liberal - demokratischen Systems, ein ausgezeichnetes Verwaltungstalent und ein erfahrener Skeptiker, der die wirklichen Kräfte seines Landes niemals über- .schätzte. Er setzte den ·Kampf gegen den Vatikan im Geiste des LiberaLismus fort und bemühte sich, die gefährlichen Kräfte der immer zahlrekhen Arbeitslosen durch eine weitgehende Unterstützung der Auswanderung abzulenken. f remdkörper in dieser Beschaulichkeit der kleinen Interessen und persönlichen Wünscheleien, sozusagen die Werwölfe in der Idylle waren allein die Sozialisten. Aber auch die Sozialisten konnten sich selbstverständlich nicht den natürlichen, ethischen und wirtschaftlichen Bedingungen ihres Landes entziehen. Infolgedessen fanden ihre Ideen gewissermaß.en eine natürliche Grenze, wo das Industrieproletariat aufhörte. Es versteht sich, daß der Sozialismus nicht nur eine Bewegung des Industrieproletariats ist„ aber hier, wo, w.ie schon das Kommunistische Manifest darlegt,. die Arbeitgeber selbst die Armeen sammeln, die sie vernichten werden, liegen doch die stärksten Wurzeln seiner Kraft. Die ver-- streuten, ungeschulten Landarbeiter sind für seine Propaganda.. schwer erreichbar, und ihre Unbildung, die in ltaliien häufig noch völliger Analphabetismus ist, macht sie zu einer Durchdring-.1ng s-einer wissenschaftlichen Idee kaum fähig. Die sozialistische Partei. war daher hauptsächlich in Norditalien heimisch. Indessen auch dieses, meist noch in einem bodenständigen .Familienleben wurzelnde. Proletariat ist sehr verschieden von jenen gewaltigen Armeen Heimats- und Herkunftsloser, die sich in den großen Industriezentren der Welt zusammenfinden. Aus allen diesen Gründen war die italienische sozialistische Partei vor dem Kriege viel revolutionärer als die Parteien in den andern Ländern, hauptsächlich in Deutschland. Sie unterschied

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